Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden

Zwei bedeutende Tagungen fanden 1963 und 1977 im Hotel Kleber Post in Saulgau statt. Ich habe vierzehn Kolleginnen und Kollegen gebeten, auf einen Text aus der Gruppe 47 mit einem eigenen Text zu antworten. Ich dachte an Zsuzsanna Gahse, für deren Schreiben Helmut Heißenbüttel wichtig war, an Walle Sayer, der die Gedichte von Günter Eich schätzt, an Peter Braun, der jahrelang auf den Spuren von Hubert Fichte unterwegs war.

Ein reichhaltiges Buch ist entstanden. Die Lektüre ist ein Abenteuer. Sie ermöglicht die Wiederentdeckung von Texten der Gruppe 47, aber auch Einsichten in die unterschiedliche Art und Weise, zu ihnen in Resonanz zu gehen: kurz und knapp, ausführlich und verschachtelt, experimentell oder essayistisch. Ich habe es den Autorinnen und Autoren überlassen, einen Text zu wählen, einzige Vorgabe war, dass der Verfasser, die Verfasserin zu einer der zwei Tagungen nach Saulgau eingeladen wurde.

Der Titel ist eine Zeile aus einem Gedicht von Günter Eich: „Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden.“ Ein Paradox, denn Parallelen schneiden sich nicht. Erst in der Unendlichkeit und die ist weit weg. Oder ganz nah. In uns. In den geistigen Räumen in uns schneiden sie sich. Hier können wir Menschen begegnen, die zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort gelebt haben. Weil wir, wie es Hölderlin formuliert, nicht nur Gespräche führen, sondern ein Gespräch sind.