Ich stelle mein Buch über die Gruppe 47 in Saulgau vor: Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden, die Gruppe 47 in Saulgau, Texte & Resonanzen.
Als ich nach einem Titel für das Buch suchte, ist mir diese Zeile aus einem Gedicht von Günter Eich nicht mehr aus dem Kopf gegangen: "Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden."
Ein Paradox, denn Parallelen schneiden sich nicht. Erst in der Unendlichkeit und die ist weit weg. Oder ganz nah. In uns. In den geistigen Räumen in uns schneiden sie sich. Hier können wir Menschen begegnen, die zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort gelebt haben.
In seinem Buch Abschied von den Eltern nennt Peter Weiss seine Eltern die Portalfiguren seines Lebens, deren Bedeutung er nur schwer fassen könne. Zu den Portalfiguren meines Lebens als Leserin und Schriftstellerin gehören viele, die regelmäßig an den Treffen der Gruppe 47 teilgenommen haben.
Ihre Texte haben mich berührt. Ich wollte antworten. Das scheint mir einen guten Text auszuzeichnen: dass wir lesend in einen inneren Dialog treten mit dem Autor, der Autorin. Dieser dialogische Charakter des Lesens wurde zum Gestaltungsprinzip des Buchs. Vierzehn Autorinnen und Autoren antworten auf einen Text aus der Gruppe 47 mit einem eigenen Text.
Ein reichhaltiges Buch ist entstanden. Die Lektüre ist ein Abenteuer. Sie ermöglicht die Wiederentdeckung von Texten der Gruppe 47, aber auch Einsichten in die unterschiedliche Art und Weise, zu ihnen in Resonanz zu gehen: kurz und knapp, ausführlich und verschachtelt, experimentell oder essayistisch.
Ich habe es den Autorinnen und Autoren überlassen, einen Text zu wählen, einzige Vorgabe war, dass der Verfasser oder die Verfasserin zu einer der zwei Tagungen der Gruppe 47 nach Saulgau eingeladen worden war: 1963 oder 1977. Zwei Autoren haben Gedichte von Günter Eich gewählt: Walle Sayer und Volker Demuth. Ihre Beiträge umrahmen die anderen Resonanz-Paarungen.