Die Zimtläden

Bruno Schulz kam am 20. Juli 1892 in Drohobycz zur Welt, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte und heute in der Ukraine liegt. Er studierte in Lemberg Architektur, ging 1917 nach Wien und kehrte Ende des Ersten Weltkriegs wieder nach Drohobycz zurück. Er verdiente sein Geld als Zeichen- und Handarbeitslehrer, in seiner freien Zeit malte er, 1925 begann er zu schreiben. 1939 kamen die Russen nach Drohobycz, 1941 die Deutschen. Am 19. November 1942 wurde Bruno Schulz von dem Gestapomann Karl Günther ermordet. 

David Grossman hat ein bewegendes Nachwort zu den Erzählungen geschrieben. Die Zimtläden sind 1934 zum ersten Mal erschienen. Ein Kritiker schrieb: „Seine Sätze leuchten wie Meteore auf unbekannte Landschaften, die wir, gewöhnlich vom Meer der Alltäglichkeit überflutet, nicht imstande sind zu sehen.“ 

Hier ist ein Ausschnitt aus der Erzählung Die Zimtläden

„In so einer Nacht ist es ein Ding der Unmöglichkeit, beim Gang durch die Wall-Straße oder eine beliebige andere dunkle Straße (…) nicht daran zu denken, daß zu dieser späten Stunde manchmal noch einige der sonderbaren und so verlockenden Läden geöffnet haben, die man tagsüber gewöhnlich vergißt. Ich nenne sie die Zimtläden, wegen der dunklen Farbe ihrer Holzvertäfelungen. 

Diese wahrhaft vornehmen, bis spät in die Nacht geöffneten Geschäfte waren schon immer Gegenstand meiner heißen Sehnsüchte gewesen. Ihre schwach beleuchteten, dunklen und festlichen Innenräume dufteten durchdringend nach Farbe, Lack und Räucherwerk, nach dem Aroma ferner Länder und seltener Materialien.

Dort konnte man bengalisches Feuer finden, Zauberschatullen, Briefmarken aus längst untergegangenen Ländern, chinesische Abziehbilder, Indigo (…) Homunculi in Blumentöpfen, Mikroskope und Fernrohre, doch vor allem seltene und besondere Bücher, alte Folianten mit wundersamen Stichen und betörenden Geschichten.

Ich erinnere mich noch an die alten und würdevollen Kaufleute, die mit gesenkten Lidern diskret schweigend ihre Kunden bedienten, mit Bedacht und voll Verständnis für deren geheimste Wünsche. Doch vor allem gab es dort eine Buchhandlung, in der ich mir einmal seltene und verbotene Drucke angesehen hatte, Publikationen von Geheimclubs, die quälende und berauschende Geheimnisse enthüllten.“